Der Selbsterhaltungstrieb des
Menschen und damit der Wille kriegerische Auseinandersetzungen oder Überfälle
nicht nur zu überstehen, sondern dabei auch möglichst siegreich zu
bleiben, führte bei vielen Völkern der Erde schon früh zur Entwicklung
eigener Kampfkünste. Da die Menschen sehr unterschiedlich sind,
entwickelten sich zwangsläufig auch verschiedene
Selbstverteidigungsarten, die mit und ohne Waffen betrieben wurden. Die
Vielzahl der Systeme und ihre Verschiedenartigkeit bewirkte in sich
wandelnde Zeiten, jedoch auch neue Strömungen, Weiterentwicklungen und
Fortschritte auf dem Gebiet der Selbstverteidigung. Ob die dabei
entwickelten Systeme sich durchsetzen, war immer eine Frage der Zeit, der
Qualität und der Lehrmethode. Leider jedoch gab und gibt es immer wieder
Meister der traditionellen Kampfkünste, die auf Jahrhunderte alten
Systemen beharren und neues völlig ablehnen.
Doch moderne Zeiten, deren typische
Kriminalitätsformen und die Mentalität des „modernen“, also heutigen
Europäers erfordern neue Ideen und Systeme. Es wurde nach einer neuen und
„modernen“ Selbstverteidigungsform gesucht, die praktisch, leicht und
schnell erlernbar sein sollte. Schneller, erfolgreicher Einsatz wurde gewünscht.
Schattenboxen und jahrelanges Imitieren und Antrainieren von umfangreichen
komplizierten Techniken und auch von festen Bewegungsabläufen ( so genannte
Kata ) sollten der Vergangenheit angehören. Insbesondere die Kata
erinnert mit ihren Bewegungen mehr an Tanzunterricht und war für die hier
gesuchte Selbstverteidigungsform, die rein praktisch orientiert sein
sollte, völlig ungeeignet.
Rund 10 Jahre nach der ersten Idee
und vielen Überlegungen, deren Erprobung und daraus wieder folgenden
Weiterentwicklung, wurde am 1. Januar 1990 die erste europäische
Alternative zu asiatischen Kampfkünsten aus der Taufe gehoben. Dieses
Selbstverteidigungssystem benannte man nach seiner Organisation Esdo (
European Self -Defense Organisation).
Ganz bewusst wurde hier das Wort
„europäisch“ aufgenommen, denn die Europäer unterscheiden sich in
ihren Größen-, Gewichts-, und Reichweitenverhältnissen erheblich von
denen der meisten Asiaten, von der anderen Mentalität und den
gesetzlichen Rahmenbedingungen ganz zu schweigen.
Unter Esdo versteht man „geistigen
Weg europäischer Selbstverteidigungskunst“. Nach der Vorstellung der
Begründer handelt es sich jedoch nicht um einen reinen Kampfsport,
vielmehr ist es eine zeitgemäße Synthese aus Gesundheits- und
Selbstverteidigungssport. Bei der umfassenden Ausbildung wird besonderer
Wert auf die Beachtung der im Lande geltenden Notwehrgesetze gelegt. Ein
großer Vorteil des Esdo ist es, dass die Ausübenden nicht in ein festes
Schema gepresst werden, sondern eine individuelle Hilfestellung zur
Vollkommenheit des eigenen Stils erhalten, um auch gegen erheblich stärkere
und schwere Gegner Erfolg zu haben.
Beim Esdo ist es u.a. ein
Grundgedanke, die Angriffsenergie des Gegners gegen diesen selbst zu
wenden. Dieses geschieht unter Ausnutzung der körpereigenen Fähigkeiten
( Körperkraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit, Kondition und Reaktionsfähigkeiten).
Esdo ist daher besonders für „körperlich schwächere“ Personen wie
Frauen, Kinder und ältere Menschen geeignet.
Esdo wurde nach den neuesten
Erkenntnissen konzipiert und biete eine vollständige
Selbstverteidigungsausbildung, doch es ist trotz seines umfassenden
Konzepts durch Methodik leicht erlernbar. Die Schüler/innen erhalten am
Anfang eine ausführliche theoretische Einführung und lernen dann bis zum
Meistergrad die verschiedenen Techniken. Umfang und Anforderungen steigern
sich mit der Erfahrung.
Zum Programm gehören das erlernen
der Kampfhaltung, die Technikschulung und Bewegungslehre ( wie alles
andere, abhängig von der richtigen Atmung ), Grund – und Fallschule,
Schlag- und Trittkombinationen, Reflex- und Reaktionsstraining,
Griffvermeidung und –Befreiung. Es gibt Partnerübungen in 5
Schwierigkeitsstufen, Abwehr mehrere Angreifer, freie Selbstverteidigung
auch mit Alltagsgegenständen (Schirm, Handtasche, Zeitung usw.)
Wichtig ist auch der Umgang mit
Messer, Schlagstock und weiteren aktuellen Waffen. Wer mit diesen Gegenständen
umgehen kann, hat auch erheblich größere Chancen sie im Kampf
erfolgreich abzuwehren. Wichtige Bestandteile des Programms sind ferner
der Esdo – Freikampf, der in Leicht oder in Vollkontakt ausgetragen
werden kann sowie der Ring –und Bodenkampf.
Gerade in der Bodenlage hat der
leichter und Schwächere große Chancen ein Kraft- und Gewichtsdefizit
durch Beweglichkeit und Technik auszugleichen. Erlernt wird schließlich
noch die Ernstfallpsychologie und die Verteidigung gegen Hunde. Bei der
Selbstbehauptung sollen speziell Kinder für ungewöhnliches Verhalten von
Erwachsenen sensibilisiert werden und adäquates Problemlösungsverhalten
lerne, wie z. B. sicheres Entfernen, Öffentlichkeit schaffen, potentielle
Verbündete ansprechen. In Rollenspielen wird situationsgerechtes
Verhalten geübt. Thematisch eingeschlossen sind hierbei Streitigkeiten
unter Gleichaltrigen oder älteren Jugendlichen, Abgrenzungen von so genannten
„Mitschnackern“ sowie das Verhalten an der Haustür und am Telefon.
Aber nicht nur einen Nutzen für die Selbstverteidigung soll das neue
europäische System für den Auszuübenden bringen, sondern es soll sich
auch für dessen Gesundheit positiv auswirken. Gerade hier sind in den
letzten 10 Jahren viele neue Erkenntnisse dazugekommen.
Unter dem Stichwort
„Funktionsgymnastik“ bzw. „Schongymnastik“ sind hier zusätzlich
ganz neue Sportarten entstanden. Der Körperschulungsteil ( so nennen wir
das „Aufwärmen“ ) unterscheidet sich im Esdo teilweise erheblich von
dem anderer Sportarten. Um diesen neuen Sport Interessierten anschaulich
zu vermitteln, erfahren die Trainer eine spezielle und sorgfältige
Ausbildung. Die steigende Beliebtheit des Esdo bestätigt ihre Methoden.
Langeweile kommt beim Training nicht
auf. Die eigenen Fähigkeiten verbessern sich mit jeder neu erlernten
Technik und mit jedem neuen Gegner. Da Esdo dabei nicht nur Neulinge der
Selbstverteidigung fasziniert, sondern auch Kampfsporterprobte
Interessenten aus „traditionellen“ Systemen anzieht.
GÖTZ GERCKENS
Esdo- LANDESTRAINER HAMBURG